Der Wein, der mit den Wellen tanzt
Die Erkenntnis, dass bewegter Wein besondere geschmackliche Eigenschaften entwickelt, ist nicht neu, geriet aber beinahe in Vergessenheit. Wie so oft im Leben war bei dieser Entdeckung der Zufall im Spiel: Louis-Gaspard d‘Estournel (1753-1844), Gründer des weltberühmten Bordelaiser Weinguts Château Cos d’Estournel, handelte seine Weine per Schiff nach Afrika, Arabien und bis nach Indien. Als die Nachfrage nachliess, musste er einen Teil der bereits verschifften Weinfässer wieder zurückholen. Und stellte fest: Der vielgereiste Wein schmeckte besser als jener, der bei ihm im Keller lagerte. Er erkannte bald, dass das stete Schaukeln im Schiffsbauch dem Wein guttat. Die zurückgekehrten Weine stempelte er mit einem «R» für «Retour des Indes». Diese waren wegen ihres ausserordentlichen Aromas dermassen begehrt, dass er von da an alle seine Weine auf eine Schiffsreise schickte, bevor sie verkauft wurden.
Boje statt Dreimaster
Diese fast vergessene Tradition wird jetzt mit der «Weinboje» im Zürichsee wiederbelebt: Im November 2019 wurde von den Technischen Diensten Bäch der KIBAG eine mit 900 Litern Wein gefüllte Stahlboje im Hafen von Rapperswil-Jona eingewässert. 140 Tage lang, bis zum 27. März 2020, wird der «Wellentänzer» der Weissweinsorte Johanniter nun durch Wind und Wellen im Hafen bewegt. Der Wein stammt vom Weingut Irsslinger, das direkt an den KIBAG Golfpark Zürichsee angrenzt. Robert und Chantal Irsslinger konnten dort in Wangen am Zürichsee 2017 das alteingesessene Weingut Clerc Bamert übernehmen. Und wie kam man auf die Idee des Wellentänzers? Der österreichische Winzer Fabian Sloboda hatte sich schon länger mit der Frage beschäftigt, wie sich Wein im See verhält und was es bewirkt, wenn er während der ersten Monate seiner Reife auf der Hefe stetig und natürlich bewegt wird. Er liess dafür 2017 eine spezielle Boje mit zwei Kammern bauen: Die äussere ist mit Luft gefüllt, die innere mit dem Wein. Diese Weinboje liess er dann 144 Tage im burgenländischen Neusiedler See verankern.
Schweizer Premiere
Das Projekt wurde wissenschaftlich begleitet und in der Fachwelt ausgezeichnet bewertet. Ende 2018 lud Fabian Sloboda Robert und Chantal Irsslinger ein, seine «Wellentänzer-Partner» zu werden – und die waren auf Anhieb begeistert von dem Projekt. Normalerweise endet die Terroir-Prägung nach der Ernte der Trauben. Nicht so beim Wellentänzer, denn der Wein ist bei seinem Aufenthalt im Wasser auch einer natürlichen Temperaturkurve ausgesetzt. Damit sich diese «sanft» verhält, wurde die Stahlboje so konstruiert, dass der Wein nicht von direkter Sonnenbestrahlung, sondern ausschliesslich von der Seetemperatur beeinflusst wird. Nun reift er weiter – und das ausschliesslich mit natürlicher Energie. Erhältlich ist er ab dem 1. Mai 2020 in einer limitierten Abgabe zu 12 Flaschen.