
Der Traum vom Lastwagenfahren
Im August 2024 hat Habibullah Hosseini seine Lehre als Strassentransportfachmann begonnen. Für den 19-Jährigen geht damit ein Traum in Erfüllung. Warum diese Geschichte aussergewöhnlich ist und wie Habib überhaupt zur KIBAG kam, erzählt er im Porträt. Für den Berufsbildner Stephan Schenker und die KIBAG ist es jedenfalls ein Glücksfall.
Habibullah Hosseini, von allen Habib genannt, ist im Berufsvorbereitungsjahr in Winterthur, als er das erste Mal von der Kibag hört. «Ich wollte als Strassentransportfachmann schnuppern und habe deshalb über das Lehrstellenportal yousty.ch eine Anfrage an die Kibag geschickt», erzählt Habib. Habib, der ursprünglich aus Afghanistan stammt, ist damals anderthalb Jahre in der Schweiz. Sein Status: vorläufig aufgenommen. Die Anfrage kommt zu Stephan Schenker, Berufsbildner für Strassentransportfachleute, der den Jugendlichen zum Schnuppern einlädt. «Als Habib während zwei Tagen bei uns war, habe ich sofort gemerkt, dass es passt», sagt Stephan, und ergänzt, «Denn es ist sehr selten, dass jemand so motiviert und interessiert ist wie er.» Auch die Deutschkenntnisse von Habib zu diesem Zeitpunkt beeindrucken Stephan: «Habib und ich verstanden uns auf Anhieb, sowohl sprachlich als auch zwischenmenschlich.» Der zusätzliche administrative Aufwand, da Habib vorläufig aufgenommen ist, sei gering gewesen, so Stephan. «Ich musste mich etwas einlesen, aber danach war es einfach. Aufgrund seines Status durfte Habib arbeiten. Ich musste das Lehrverhältnis lediglich dem kantonalen Amt für Wirtschaft melden», erklärt er. Zwei Wochen nach dem ersten Kontakt erhält Habib die Zusage für die Lehrstelle als Strassentransportfachmann. «Ich habe mich riesig gefreut», erzählt er mit leuchtenden Augen.
Unterwegs sein
«Lastwagen zu fahren, das war immer mein Traum», erzählt Habib. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn Habib träumt nachts regelmässig, dass er Lastwagen fährt. Unterwegs zu sein ist das, was den 19-Jährigen am meisten an seinem Lehrberuf fasziniert. Und das, obwohl er bereits ein Drittel seines Lebens unterwegs verbracht hat. «Ich habe 2017, mit zwölf Jahren, meine Heimat Afghanistan alleine verlassen. Danach war ich ein paar Jahre im Iran und später in der Türkei, bevor ich mit gleichaltrigen Freunden, die ich unterwegs kennengelernt habe, im Sommer 2022 in die Schweiz gekommen bin», erzählt Habib. In der Türkei hat Habib in der Textilindustrie gearbeitet. «Meine Mutter und meine Schwester sind Schneiderinnen, deshalb kann ich nähen», erzählt er stolz. Später war er Mitfahrer in einem Lastwagen. Doch für ihn war klar, dass er eines Tages selbst hinter dem Steuer eines LKWs sitzen will.
Herausforderung Deutsch
Aktuell arbeitet Habib in der Werkstatt in Regensdorf. «Unsere angehenden Strassentransportfachleute beginnen alle in der Werkstatt, wo sie zum Beispiel lernen, wie man Reifen wechselt oder das Öl ablässt», erklärt Stephan. Denn die meisten Lernenden sind im ersten Lehrjahr noch zu jung, um den Lernfahrausweis zu beantragen. Im zweiten und dritten Lehrjahr wird Habib dann vor allem im LKW unterwegs sein. Dass er jetzt noch nicht fahren darf, stört Habib nicht. «Mir gefällt die Werkstattarbeit genauso gut», meint er, und ergänzt: «Ich will verstehen, wie ein LKW funktioniert und wie ich kleinere Reparaturen selbst ausführen kann.» Das Verständnis für die Technik hat Habib, da sind sich beide einig. «Technik ist auch mein Lieblingsfach in der Schule, es ist so klar für mich», erzählt Habib. Die Schwierigkeit für Habib bestehe darin, das Wissen auf Deutsch wiederzugeben, so Stephan. «Uns war von Beginn an klar, dass wir beim Deutschlernen dranbleiben müssen, weil die schulischen Leistungen stark davon abhängen», erklärt er. Habib stimmt ihm zu, dass das Deutsch für ihm im Moment die grösste Hürde darstelle. «In der Schule wird oft gefragt, ob jemand präsentieren oder etwas erklären könne. Meist meldet sich niemand. Ich denke jeweils, wenn ich so gut Deutsch könnte wie die anderen oder wenn ich es auf Persisch, meine Muttersprache, sagen könnte, würde ich mich sofort melden», meint Habib lachend. «Es ist nur eine Frage der Zeit, bis du das auch kannst», meint Stephan. Persisch spricht Habib nach wie vor täglich, wenn er mit seinen Eltern telefoniert, die mittlerweile im Iran leben.
Ansteckende Motivation
Auch wenn Habib seine Lehre erst gerade begonnen hat, einen ersten Erfolg hat er bereits erzielt: Er hat die Staplerprüfung bestanden, was ihn sogar selbst ein bisschen überrascht hat. Der Erfolg bestätigt aber seine Lebenseinstellung: Wenn man will, kann man. Stephan stellt fest, dass Habib mit seiner Motivation und seinem Ehrgeiz auch andere ansteckt. «Habib interessiert sich für den Beruf und fragt nach, was dann dazu führt, dass auch andere aufmerksamer sind und mitziehen», ergänzt er. Auch sonst ist Stephan zufrieden mit seinem Lernenden. «Habib ist offen, ehrlich, respektvoll, pünktlich – was will man mehr?», meint er lachend. Er freut sich darauf, wenn Habib ab dem zweiten Lehrjahr mehr bei ihm in Adliswil tätig sein wird. Für die Zukunft wünschen sich beide, dass Habib die Sprache noch besser lernt, die Lehre mit guten Noten abschliesst und hoffentlich weiter für die Kibag arbeitet.
Für den Berufsbildner Stephan Schenker ist der Lernende Habib Hosseini ein Glücksfall. (Fotos: Andreas Eggenberger)
Aktiv gegen den Fachkräftemangel
Die KIBAG und ihre Tochterfirmen bilden insgesamt knapp 100 Lernende in 15 Berufen aus. Dies verdeutlicht, welch hoher Stellenwert der beruflichen Nachwuchsförderung beigemessen wird. 44 Berufsbildner stehen den Jugendlichen als Fachleute und Ansprechpartner zur Verfügung. Vom Strassenbauer zur kaufmännischen Ausbildung über Bootsbauer bis hin zu Strassentransportfachleuten, Logistiker und Entwässerungstechnologen sowie Baumaschinenmechaniker – die Bandbreite der Lehrberufe widerspiegelt die Vielfalt der KIBAG-Gruppe.
Unterwegs in der Schweiz
Strassentransportfachleute transportieren verschiedene Güter mit Lastwagen (LKW) und anderen Fahrzeugen (Führerausweiskategorie B/C/CE). Sie planen die Transporte und wissen, wie sie mit der Ware umgehen müssen. Sie können auch kleinere Reparaturen ausführen und Pannen beheben. Das Tätigkeitsgebiet umfasst die Vorbereitung (Transport organisieren, Route planen, Transport-/Zolldokumente kontrollieren, Überprüfung Wagenzustand), Transport und Warenlieferung (Wetter-/Verkehrsverhältnisse prüfen, Ware entladen und prüfen, Formalitäten erledigen) sowie Instandhaltung der Fahrzeuge (Reinigung, Kontrolle, kleinere Reparaturen ausführen usw).