Bohren, aufbereiten, wieder verbauen

Bald wird gebohrt für die neue Röhre durch den Gotthard. Was dabei aus dem Berg rausgeholt wird, soll in Form von Beton im Strassentunnel wieder verbaut werden. Hierfür wurde in den letzten Monaten eine umfassende Infrastruktur aufgebaut – darunter ein Betonwerk der KIBAG im Innern des Berges.

Aktuell ist es noch eine Baustelle für die Baustelle: Für den zweiten Gotthard-Strassentunnel, der bis 2030 gebaut wird, laufen umfangreiche Vorbereitungsmassnahmen: Die über 100 Meter lange Tunnelbohrmaschine wird derzeit montiert. Vor dem Tunnelportal stehen die Förderbänder bereit für die ersten Gesteinsausbrüche, die voraussichtlich ab dem neuen Jahr aus dem Berg transportiert werden, wo sie dann am Bahnhof Göschenen auf den Zug verladen und auf der Gotthardsüdseite im hierfür gebauten Kieswerk aufbereitet und wieder zurück transportiert werden. Das Betonwerk der KIBAG in einer eigens hierfür gesprengten Kaverne produziert bereits ersten Beton, die Abladestationen für den Zement und die Kiesabladegosse vor dem Tunneleingang warten allerdings noch auf den Grossandrang unzähliger Zugladungen an Kies und Zement. "Seit Monaten haben wir auf diesen Tag hingearbeitet", erzählt Werkleiter Daniel Kalbermatter. "Nun können wir die Produktion endlich richtig hochfahren."  


Man kennt sich im Tunnel

Daniel Kalbermatter ist ein Tunnelbauer durch und durch. Ganz früher noch im Sprengvortrieb tätig, verantwortet er seit etwa zwanzig Jahren die Betonproduktion bei diversen grossen Tunnelprojekten, beispielsweise beim Neat-Eisenbahntunnel, dem Nant-de-Drance-Kraftwerk und bei der Grimsel-Staumauer. "Für mich ist es immer spannend, bis die Anlage fehlerfrei läuft", erzählt er, "dafür braucht es Hirnschmalz." Zusammen mit der Betriebstechnik der KIBAG, der Anlagenlieferantin SIMEM und natürlich der ARGE "Secondo tubo" entwarf man für die engen Platzverhältnisse und komplexen Lieferstrukturen eine Anlage der Extraklasse. "Man ist im Tunnelbau ohnehin wie eine grosse Familie. Mit vielen Leuten hier in Göschenen arbeite ich schon seit vielen Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten, zusammen." Auch Kalbermatter hat – wie die meisten der Tunnelkumpel – ein Zimmer in der Region, damit er nach langen Arbeitstagen nicht auch noch pendeln muss. Selbsterklärend, dass man sich nach Feierabend mal auf ein Bier trifft.


Betonwerk im Tunnel

Das Betonwerk ist gut 120 Meter lang und umfasst nebst dem Mischer zwanzig Silos für Kies und Perlkies, Lagerkapazitäten für Zement und Zusatzmittel, einen Fahrmischerwaschplatz, eine Wasseraufbereitungsanlage und die Bojakenpresse. Vom Ablad ausserhalb des Bergs transportiert ein 300 Meter langes Förderband den Kies zu den Silos. Der Zement wird direkt ab dem Bahnwagen eingeblasen. Ein leistungsstarker Kompressor sorgt dafür, dass vier Bahnwagen à je 60 Tonnen Zement gleichzeitig eingeblasen werden können. Überhaupt ist der Energiebedarf für die ganze Anlage enorm: Drei Trafos allein sorgen für Strom: einer für die Anlage, einer für die Heizung der Silos und einer nur fürs Förderband mit einer Leistung von 900 bis 1000 Tonnen Kies pro Stunde. Doch diese Mengen müssen auch zuerst geliefert werden. "Die Materialsituation hat es tatsächlich in sich", führt Kalbermatter aus. Die Platzverhältnisse sind wie gesagt eng, die Lieferung vor allem im Winter, wenn allenfalls viel Schnee liegt, nicht einfach.

Kreislauf der Ausbruchmaterials

Dereinst, wenn die Bohrmaschine läuft, wird der grösste Teil des Materials allerdings aus dem Berg selber kommen. Dieses wird über die Förderbänder in mehrere Silos am Bahnhof Göschenen transportiert. Von dort tritt das Ausbruchmaterial mit dem Zug seine Reise in den Süden an, wo es vor dem Gotthard-Südportal im Kieswerk aufbereitet wird. Mit dem Zug reist es zurück nach Göschenen, direkten Wegs in die Betonanlage. Dem Beton werden in der Anlage Stahlfasern in zwei verschiedenen Grössen beigemischt: grössere für den Spritzbeton, der für die Sicherung der Tunnelwände verwendet wird; kleinere für den Beton der so genannten Tübbinge. Tübbinge sind vorgefertigte gebogene Betonelemente, die zur Versteifung und Innenverkleidung von Tunnels (oder auch Schächten) verwendet werden. Die grosse Herausforderung: Diese müssen nach 10 Stunden eine Festigkeit von 20 Newton aufweisen. "Eine brutal schnelle Austrocknungszeit!", macht Kalbermatter klar. Auch das KIBAG Baustofflabor dürfte mit dieser Vorgabe durchaus gefordert gewesen sein.


Ab dem neuen Jahr arbeitet also die Tunnelbohrmaschine, und mit ihr die Betonproduktion unter Hochdruck während 24 Stunden an sieben Tagen. Das Betonwerk soll bis Ende 2028 in Betrieb bleiben.

Zu den Bildern:

Die Betonanlage in der eigens hierfür gesprengten Kaverne im Innern des Bergs.
Das 300 Meter lange Förderband transportiert Kies in die Anlage.
Werkleiter Daniel Kalbermatter.
Stahlfasern für den Spritzbeton und die Tübbinge.
Die Steuerzentrale des Betonwerks.
Hier wird der Zement direkt von den Zugwaggons ins Betonwerk eingeblasen.

 

Zum Bau der zweiten Tunnelröhre

Der Bau des 17 Kilometer langen Gotthard-Strassentunnels hat vor mehr als 50 Jahren begonnen und er wurde 1980 fertiggestellt und in Betrieb genommen. Nach 45 Betriebsjahren und unzähligen Durchfahrten mit LKWs und Autos ist eine umfassende Instandstellung nötig. Die Staumeldungen, die in der Zwischenzeit nicht nur während den Ferienzeiten, sondern fast permanent im Radio vermeldet werden, machen klar: Eine Sperrung des Tunnels für längere Zeit oder eine Befahrung in nur einer Richtung während der Instandhaltung ist nicht möglich. Deshalb hat im Jahr 2016 das Schweizer Stimmvolk entschieden, den Vorschlag des Bundesrates zum Bau einer zweiten Röhre anzunehmen. Die Arbeiten für die zweite Röhre sind also am Laufen. Der Ersatztunnel soll voraussichtlich 2030 fertig sein.

Mehr dazu auf der Seite des ASTRA

 

 

Zurück